Predigt zur Konfirmation am 6. April 2003 in der Schlosskirche Winnenden
Text: Matthäus 7, 13f. Der breite und der schmale Weg
Liebe Gemeinde, vor allem aber: liebe Konfirmanden,
in unserem Leben müssen wir uns immer wieder entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen. Dieser Entscheidung können wir oft nicht einfach aus dem Weg gehen – jetzt angesichts des Irak-Krieges zum Beispiel musste unser Land sich entscheiden: mitmachen oder nicht? Einen dritten Weg gibt es nicht. So stehen wir immer wieder an einer Weggabelung und müssen entscheiden können, welches für uns, das heißt: für mich und für meine Mitmenschen der beste Weg ist. Wie aber finde ich dies heraus, auf welche Maßstäbe für falsch und richtig kann ich mich verlassen?
Häufig ist es so, dass wir einfach nach den anderen schielen. Wenn man irgend wo in einer Runde gefragt wird, wer dafür ist, dann ist doch meist die erste Reaktion, dass wir schauen, wer von den anderen streckt; wenn wir da niemand sehen, halten wir uns zurück, und wenn viele die Hand heben, tun wir´s auch. Nicht wahr – das ist doch gerade auch in eurem Alter so – nur nicht auffallen, möglichst das tun, was die Mehrheit macht.
Aber hat die Mehrheit immer Recht? Untersuchungen sagen, in den USA seien zur Zeit etwa achtzig Prozent für den Irak-Krieg. Ist er deshalb richtig? Im Dritten Reich ist zumindest in den ersten Jahren eine große Mehrheit begeistert Adolf Hitler gefolgt. Aber dieser Weg hat sich als falsch, als katastrophal, als tödlich für so viele Millionen von Menschen erwiesen. Die Mehrheit, liebe Konfirmanden, hat nicht immer recht, die Mehrheit kann auch in den Abgrund gehen. Mit den Wölfen zu heulen ist oft der sicherste Weg, dass einem hinterher um Heulen ist.
Ich brauche also feste, verlässliche Maßstäbe, zuverlässigere Hilfsmittel für meine Entscheidungen als die Meinung der anderen. Gott will uns eine solche Hilfe an die Hand geben. Alles, was wir in der Bibel lesen – die zehn Gebote, die Worte Jesu – ist nicht dazu da, uns zu gängeln, unser Leben sinnlos einzuengen, sondern uns die nötige Orientierung für´s Leben mitzugeben – damit aus unserem Leben etwas wird. Denn Gott hat das Leben von jedem von euch gemacht, und er will auch, dass daraus etwas wird. Er hat es euch nicht gegeben, damit es verunglückt.
Jesus sagt, dass es häufig im Leben einen breiten und eine schmalen Weg gibt. Der breite Weg, das ist der Weg der Mehrheit, der bequeme Weg, wo ich so weiterleben kann wie bisher, mich nicht ändern, nichts in Frage stellen, keine lästige Rücksicht auf die Umwelt und auf meine Mitmenschen nehmen muss, der einträgliche Konsument bin, den die Wirtschaft heute braucht, mich also in jeder Hinsicht treiben lasse. Der schmale Weg ist demgegenüber der Weg, auf dem ich mir bewusst werde, dass manches nicht so gut ist, dass ich an meinem Lebensstil manches ändern muss – der Umwelt, den Mitmenschen und wohl auch mir selbst zuliebe. Das ist der Weg, wo ich nicht einfach mit dem Strom schwimme, wo ich deshalb auch angegriffen und kritisiert und falsch interpretiert werde. Dieser Weg ist schwieriger und konfliktreicher, und deshalb werde ihn weniger Menschen gehen.
Jesus selbst ist in seinem Leben den schmalen Weg gegangen. Er hat es sich nicht leicht gemacht – dafür ist das Kreuz Symbol, das in jeder Kirche steht. Und der Weg der Christen, die seinen Namen tragen, ist ebenfalls in aller Regel der schmale Weg. Nicht bequem mit der Masse gehen, nach Beifall schielen, sondern den Weg der eigenen Überzeugung gehen, notfalls auch gegen eine Mehrheit – das gehört zum Christsein. Die ersten Christen waren eine kleine Minderheit, über die man den Kopf geschüttelt, die man für verrückt oder für gefährlich erklärt und deshalb verfolgt hat. Waren sie deshalb im Unrecht? Wären sie nur einfach mit dem Strom geschwommen, gäbe es heute überhaupt keine Christenheit und keine Kirche.
Eine evangelische Kirche gibt es heute nur deshalb, weil vor fast fünfhundert Jahren einmal ein junger Mönch namens Martin Luther nicht mehr mit dem Strom schwamm und den Schneid hatte, aufzustehen gegen Papst, Kirche und Kaiser. Und im Dritten Reich bildeten Leute wie Paul Schneider und Dietrich Bonhoeffer eine kleine Minderheit, über die man den Kopf geschüttelt hat – und heute wissen wir, dass die Mehrheit gut daran getan hätte, ihren Weg mit zu gehen.
Ich weiß nicht, liebe Konfirmanden, wie euer Weg weiter gehen wird. Es heißt ja, nach der Konfirmation sieht man die meisten erst mal lange nicht mehr in der Kirche. Aber egal, wie ihr weitergeht, wie ihr es mit der Bindung an die Kirche haltet – ihr werdet immer wieder vor Entscheidungen gestellt werden, ihr werdet euch immer wieder für den richtigen Weg entscheiden müssen und werdet eure Maßstäbe dafür brauchen. Solche Entscheidungen werden nicht nur im Großen, sie werden euch auch im Alltag auf euch zukommen. Wenn da ein paar zusammenstehen und rauchen und jemand euch auch eine anbietet mit den Worten: “Nun sei kein Frosch – trau dich eben auch mal was!“ – nehmt ihr dann an in dem Wunsch als cool zu gelten und ja nicht anzuecken, oder habt ihr den Schneid, zu sagen: ‚ich rauche nicht’? Wenn ihr eine Disco besucht und dann spät in der Nacht einer euch einlädt, noch auf eine Spritztour mitzukommen – steigt ihr dann mit ein, weil es die anderen auch machen, obwohl der Fahrer schon reichlich angetrunken ist, oder habt ihr den Mut, vielleicht als einzige ‚nein’ zu sagen und zu verzichten?
Von der Entscheidung kann euer Leben abhängen. Ich wünsche Euch, dass Ihr euch immer richtig entscheidet, dass ihr die richtigen Wege geht – die Wege, auf denen aus eurem Leben etwas wird, die Wege, die für euch und für eure Mitmenschen gut sind. Wenn das Jahr Konfirmandenunterricht wenigstens ein klein wenig dazu beigetragen hat, wenn er euch wenigsten sein klein wenig als Entscheidungshilfe dient für die Zukunft, dann bin ich glücklich.
Was ich in den letzten Wochen miterlebt habe, stimmt mich hoffnungsvoll: Überall in der Welt und auch in unserem Land sind jungen Menschen aufgestanden und haben für den Frieden demonstriert. Nach Jahren, ja Jahrzehnten politischer Abstinenz meldet sich die Jugend zurück, zeigt, dass sie sich nichts vormachen lässt von den Mächtigen dieser Welt, dass sie Urteilsvermögen besitzt und bereit ist, sich auch einzusetzen für das, was sie einmal als richtig erkannt hat. Konfirmanden, junge Menschen: Wir brauchen Euch! Diese Kirche braucht euch und diese Welt braucht euch. Habt den Mut, notfalls auch gegen die Mächtigen und gegen den Strom der Mehrheit euren Weg zu gehen, den schmalen Weg, wenn es sein muss – wie viel wäre dieser Welt erspart geblieben, hätten nur mehr Menschen diesen Mut aufgebracht! Ihr sollt heute wissen: ihr müsst diesen Weg nicht allein gehen, Gott geht ihn mit euch, euer Schöpfer, der es gut mit euch meint und der will, dass aus euch etwas wird.
Zum Schluss möchte ich euch noch zwei Sätze mit auf den Weg geben, die mir immer in diesem Zusammenhang wichtig waren. Zum einen: ‚Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.’ Und zum anderen – das bezieht sich auf den Lachs: ‚Um zur Quelle zu kommen, muss man gegen den Strom schwimmen’.
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