Predigt beim ökumenischen Gottesdienst in der Partnergemeinde Santo Domingo am 3. Juni 2000

Text: Markus 16, 15 - 20

Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! ......Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.. Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ.


Liebe Schwestern und Brüder,

heute gilt es ein wenig über Himmelfahrt zu reden.
Jesu Himmelfahrt war am Anfang sicherlich ein trauriges Ereignis für die Apostel. Es bedeutete für sie zunächst, dass er für sie in die Ferne rückte.
Aber genau besehen war es wichtig und unumgänglich. Wäre Jesus in Menschengestalt in Israel geblieben, seine Möglichkeiten wären sehr beschränkt gewesen. Beschränkt auf den Ort, an dem er sich befand, und auf die Leute, mit denen er unmittelbar zusammen war. Es musste so sein, dass er seine menschliche und irdische Gestalt aufgab und, um viel mächtiger und allgegenwärtig zu werden, um an jedem Punkt der Erde gleichzeitig bei den Menschen sein zu können. Die Apostel selbst haben dies später zu schätzen gewusst: Als sie in andere Länder gingen, wie Jesus es hier sagt, um das Evangelium zu verkünden, haben sie Jesu Gegenwart gespürt. Das war aber nur möglich, weil Jesus aufgehört hatte, ein irdischer Menschen zu sein, weil er, wie wir sagen, „in den Himmel aufgefahren“ war, weil er sich „zur Rechten Gottes, des Vaters“ gesetzt hatte. Himmelfahrt bedeutet also nicht, dass Jesus den Ort wechselte, von hier nach dort ging. sondern es bedeutet, dass er eine andere Form annahm, hier in dieser Welt präsent zu sein, eine viel umfassendere als zuvor. Und es zeigt auch, wie wichtig es manchmal sein kann, dass ein Abschnitt unseres Lebens abgelöst wird durch einen neuen.
Jesus hat eine universale Sache begonnen. Viel mehr als nur eine Volksreligion der einen gegen die anderen. Und deshalb sagt er hier zu den Aposteln: „Geht hinaus in die ganze Welt!“. Wenig später wird es Pfingsten sein. Da wird berichtet, dass Menschen aus aller Herren Länder zusammenkommen - und einander verstehen! Trotz der sprachlichen Unterschiede einander verstehen!
Das ist die Botschaft von Himmelfahrt: Jesus ist in dieser ganzen Welt gegenwärtig. er gehört nicht nur einem Volk, er gehört allen Menschen und Völkern. Er ist nicht nur gegenwärtig unter uns Europäern, nein genauso unter den Christen in Afrika oder Asien. Er ist nicht nur gegenwärtig in Deutschland oder in Spanien, er ist auch nicht nur gegenwärtig unter uns Protestanten und auch nicht nur unter den Katholiken. Er ist nicht nur gegenwärtig in meiner Art, Gottesdienst zu feiern, zu beten, zu singen, zu glauben, zu feiern und zu trauern. Es gibt kein Patent auf Jesus, weder für die heutige noch für irgend eine zukünftige Generation.
Was ich habe in meiner kirchlichen Tradition, ist ein wertvoller Stein, ein Juwel vielleicht. Aber wenn ich dann über diese Tradition hinausschaue, sehe ich, dass dieser Stein nur Teil eines größeren Ganzen ist, eines großen, universalen Mosaiks, nämlich dass ich nur ein kleiner Teil der unendlich vielen Möglichkeiten Jesu bin, in dieser Welt gegenwärtig zu sein. Dies erfahren wir immer wieder aufs Neue, wenn wir beisammen sind, Christen aus Santo Domingo und Christen aus Winnenden. Und in diesem Sinne sind wir auch heute wieder beisammen - weil wir dabei sind, diesen Reichtum von Jesu Gegenwart zu entdecken.

Heute reden wir allenthalben von ‘Globalisierung’. Wir meinen damit einen Prozess, in dem diese Welt immer mehr zu einer wird. Zu einem Markt, zu einem Wirtschaftsraum. Dabei ist diese Idee nicht neu. In Wirklichkeit gibt es die ‘Globalisierung’ für uns Christen schon seit zweitausend Jahren. Das Wissen, dass diese Welt eine ist und dass wir, Menschen verschiedenster Völker, zusammengehören und etwas gemeinsam haben. Zeitweise geriet dies in Vergessenheit im Lauf der Geschichte. Wir haben auch als Christen Kriege geführt und uns untereinander bekämpft. Auch heute, wo im Kosovo, im Nahen Osten oder anderswo immer noch Kriege geführt und religiös begründet werden, ist es unvermindert wichtig, dass wir uns an Himmelfahrt erinnern und daran, dass wir über alle Volks- und Rassengrenzen hinweg zusammengehören.
Und heute, wo die Art wirtschaftlicher Globalisierung, wie sie abläuft, die Welt aufs neue zu spalten droht in Gewinner und Verlierer, ist es wichtig, dass wir Christen präsent sind und diesen Prozess begleiten. Manche reden ja davon, dass die Bedeutung der Kirchen abnimmt. Das Gegenteil ist der Fall Wir Christen werden gebraucht. Wir werden gebraucht mit unserer Vision einer Welt, in der wir nicht Konkurrenten sind und in der nicht der Stärkere den Schwächeren frisst, sondern einer Welt universaler Geschwisterschaft. Es ist die Vision von Himmelfahrt. Dieser Vision wegen sind wir hier in diesen Tagen. Dieser Vision wegen werden wir auch weiterhin zusammenkommen und darüber nachdenken, was wir an unseren Orten dazu beitragen können, damit diese Vision Wirklichkeit wird. Oder sagen wir: Wie wir zum Ausdruck bringen, wie wir sichtbar machen können, was durch Jesus seit Himmelfahrt bereits Wirklichkeit ist.

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